Matthias Leis fing 2022 als Hausmeister in der Starnberger Schifffahrtswerft an. Ein Jahr später ist er ihr Chef. Mit großen Booten hat Leis aber schon seit 2012 zu tun – auch dank eines Freundes, mit dem er damals im Supermarkt arbeitete.
Starnberg – Vielleicht erzählt Matthias Leis die Geschichte von seiner ersten Fahrt gerade so gerne, weil er nun nicht mehr so oft auf dem Wasser sein wird. Mit Brille, Glatze und Krawatte unter dem Pullover sitzt er in einem kahlen Besprechungsraum der Starnberger Schiffswerft und sagt: „Schönwetterkapitän kann jeder.“ Es war im Jahr 2015, Regen und Wind herrschten in der Herrschinger Bucht, Leis saß erstmals alleine am Steuer der MS Utting. Fahren ist das eine, Anlegen das andere. Leis fuhr – und zwar so entschlossen auf den Steg zu, dass die anderen an Bord dachten, er würde ihn über den Haufen fahren. Es war eine enge Kiste, doch im Endeffekt parkte Leis erstaunlich souverän ein. Dann habe er sich hingestellt und betont lässig zu den Altvorderen gesagt: „So fährt man ein Schiff.“ Unter seiner Jacke war er schweißgebadet. Das gab er dann schon zu.
Die Geschichte sagt viel über den 37 Jahre alten Mann aus Eberfing im Landkreis Weilheim-Schongau. Selbstbewusst ist er, aber auch selbstironisch, der neue Betriebsleiter der Schifffahrt in Starnberg. Anfang des Jahres hat er das Kommando vom scheidenden Markus Färber übernommen. Anfang 2022 erst war er vom Ammersee, wo er sich seit 2012 vom Matrosen zum Schiffsführer hochgedient hatte, an den Starnberger See gewechselt. Er begann als Hausmeister, um den Betrieb in seiner technischen und handwerklichen Vielfalt kennenzulernen. Schnell wurde Leis Betriebsratsvorsitzender. Ein Amt, das er aber auch schnell wieder abgeben musste – als er, über den Stellvertreter-Posten, Anfang 2023 Chef wurde.
„Man braucht jemanden, der die Werft und die Schiffe kennt. Ich weiß, wo die Schrauben hingehören“, sagt Leis. Noch mehr Schrauben kennt wohl Norbert Hempell, seit 30 Jahren ist der 53-jährige Feldafinger bei der Schifffahrt – und nun Leis’ Vize. „Mein Wunschkandidat“, sagt der. Er wolle Strukturen vereinfachen und Hierarchien verflachen, nicht von „Mitarbeitern“, sondern nur noch von „Kollegen“ reden.
Das neue Führungsduo und die rund 30 Angestellten haben es in diesem Winter mit großen Projekten zu tun. Eines davon steht, mehrere Meter hoch aufgebockt, an der Hafenkante: die MS Starnberg. Der Galerie-Katamaran ist umgeben von Baugerüsten – zur Landuntersuchung, eine Art TÜV, turnusmäßig alle fünf Jahre. Abgeschliffen, von Schlick und Muscheln befreit ist das Flaggschiff der Flotte bereits, dieser Tage erneuern Maler den blauen und braunen Anstrich am Rumpf. Das Aufbocken war ein gewaltiger Akt. „Wir haben das eine Woche vorbereitet“, sagt Leis. Und Hempell erzählt: „Es ging um Millimeter“ – auch weil der Seepegel so niedrig sei. Die Gleise, auf denen das 56-Meter-Gefährt aus dem Wasser geschoben wurde, liegen in diesen Tagen nicht tief. Nicht mehr zu sehen sind die vier Schiffspropeller, die erneuert werden. Einen der beiden V8-Biturbo-Motoren haben sie durchs Dach per Kran nach draußen gehoben und nach Neu-Ulm zur Generalüberholung geschickt – und einen der MS Seeshaupt gleich mit. Innen klafft dort, wo sonst der Motorblock sitzt, ein großes Loch, die Auspuffrohre liegen frei.
Das nächste Projekt: ein neues Kassensystem und hoffentlich bald ein Online-Shop, damit die Fahrgäste ihre Tickets im Internet bestellen können. Der Prototyp einer neuen Kasse – für die Schiffe und Häuschen an den Dampferstegen – steht im Büro des Betriebsleiters. Er erinnert ein wenig an eine Kasse im Supermarkt. Dort begann alles – zumindest für Leis. Der gelernte Kaufmann für Groß- und Außenhandel war bei Tengelmann, als ein befreundeter Kollege ihn auf die Schifffahrt aufmerksam machte. Motto: Das wär’ doch was für dich. So landete Leis 2012 am Ammersee.
Matthias Leis ist einer, der sich Dinge recht schnell aneignet. Und wo er ist, sind der schlagfertige Kommentar und der lockere Spruch nicht weit. Kurz vor dem Foto ruft er, der Glatzkopf, der Fotografin zu: „Frisur sitzt.“ Weil er in der Werft so oft, sogar wenn er aufs Klo muss, einen Schlüssel braucht, zieht er einen Vergleich mit Stadelheim. Und wer auf eine Tür hinweist, die am Katamaran nur angelehnt ist, bekommt auf Bairisch zu hören: „Des basst scho, klau’n konn’s uns ja koana.“ Mit einem seiner Sprüche spielt Leis dann noch auf die alte Utting an, das Schiff seiner ruhmreichen ersten Fahrt 2015. Darauf, dass das Boot im Jahr 2018 auf einer Münchner Bahnbrücke zur Kneipe umfunktioniert wurde. Der neue Betriebsleiter sagt mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen: „Ich hoffe nicht, dass ich wie die MS Utting auf dem Abstellgleis ende.“
Wenn an Ostern die Dampfer wieder in die Seen stechen – der genaue Termin: Sonntag, 9. April –, werden die Fahrpreise wieder leicht steigen. Dann kostet die große Rundfahrt auf dem Starnberger See 2,20 Euro mehr als im Vorjahr, insgesamt 24,20 Euro. Die nördliche und die südliche Rundfahrt liegen bei 17,80 Euro (bisher 15,70 Euro), die Kurzrundfahrt kostet 12,60 Euro statt bisher 12,10 Euro. Auf dem Ammersee zahlen Fahrgäste für die große Rundfahrt ebenfalls 24,20 Euro. Die nördliche Rundfahrt kostet 19,40 Euro, die südliche 14,60 Euro. Die Seenschifffahrt, ein Unternehmen des Freistaats, erhöht fast jedes Jahr die Preise, um gestiegene Kosten abzufangen. Alle Fahrpläne und Preise sind online auf der Seite www.seenschifffahrt.de zu finden.